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Samuel Selvon erzählt in „Die Taugenichtse“ von Moses, Big City, Five Past Twelve und anderen Einwanderern aus der Karibik, die große Hoffnungen in ihr neues Leben im „Zentrum der Welt“, so nennen sie das London der Nachkriegszeit, setzen. Miriam Mandelkow hat den Roman, der im anglophonen Sprachraum bereits zum Klassiker avanciert ist, nun für den dtv Verlag ins Deutsche übersetzt …
London in den 50er Jahren. Selvons Die Taugenichtse beginnt mit Moses‘ Fahrt zu Waterloo Station. Die Waterloo Station ist der Ort in London, an dem die Einwanderer aus Übersee – beladen mit wenig Gepäck, großen Träumen und noch größerer Hoffnung – ankommen. »Der Bahnhof ist so ein Ort, da kommt das Gemüt.«, heißt es im Roman. Episodenhaft erzählt Selvon dann auf 160 Seiten von Moses, von Big City, Five und all den anderen karibischen Immigranten, die zwar in London leben, jedoch für viele nur Einwanderer unter zahllosen anderen Einwanderern sind.
Moses, um den herum sich die Episoden zentrieren, ist ein gutmütiger Kerl. Er hilt Freunden von Freunden in der neuen Heimat Fuß zu fassen und vergisst sich selbst darüber nur allzu oft. Der Alltag der »Mokkas« in London ist geprägt von kulturellen und sozialen Problemen. Es gibt eine Szene im Roman, in der Galahad, der seinen Job verloren hat, vor lauter Hunger mitten im Winter eine Taube fängt. Eine »alte Schachtel mit ihrem Pelz«, den kleinen Hund an der Leine, beobachtet ihn dabei und beschimpft ihn mit den Worten: »Du grausames Ungeheuer! Mörder!« Doch auch die Lebensfreude, die ein wesentlicher Aspekt der karibischen Mentalität ist, findet ihren Weg in die Erzählung, die noch dazu voller Lebensweisheiten steckt, die den Charakteren mitunter als Überlebensstrategie dienen:
Getragen wird diese Spanne an Emotionen – vom Optimismus zum Pessimismus – durch den kreolischen Sprachslang, den Selvon kreierte und in die anglophone Literatur einführte. Gerade diese narrative Technik macht Die Taugenichtse zu einem literarischen Klassiker. Selvon verwendet das Kreol nicht nur für die Dialoge, sondern auch in den Erzählpassagen. »Ich wollte etwas herstellen, das wie ein karibischer Dialekt klingen sollte. Man kann diesen Dialekt ein künstlich gemachtes Produkt nennen.“, erklärte Selvon dem Literaturwissenschaftler Michel Fabre in einem Interview. Sobald man sich als Leser an den Rhythmus der Sprache gewöhnt hat, fließt der Roman dahin. Die Übersetzerin Miriam Mandelkow ist mit ihrer Übersetzung übrigens ein Coup gelunge, denn bislang galt Die Taugenichtse als unübersetzbar.
Selvon, der 1923 in Trinidad geboren wurde und 1950 nach London zog, hebt nicht den moralischen Zeigefinger. Das ist gar nicht nötig, der Roman spiegelt die damalige Realität der Immigranten, jedoch ganz ohne falsche Sentimentalität. Was die Waterloo Station für die Immigranten aus Karibik in den 50er Jahren gewesen sein mag, mag der Münchner Hauptbahnhof für viele Einwanderer sein, die seit 2015 auch nach Deutschland gekommen sind. Selvon schreibt so tragikomisch, dass man an so mancher Stelle des Romans nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Der Roman regt zum Nachdenken an, damals wie heute! Schaut mal rein!
DIE TAUGENICHTSE – SAMUEL SELVON
dtv VERLAG, 160 Seiten plus Nachwort von Sigrid Löffler. 18 Euro.
Gebunden mit Schutzumschlag.
Kommentare (2)
Das Buch klingt interessant, und ja da stimme ich dir total zu mit diesem Kommentar, dass man oftmals nochmal denken muss. Thanks for the wisdom.
xx finja | http://www.effcaa.com
Das klingt wirklich spannend und ich mag es, dass der Roman heute noch so aktuell ist, obwohl er doch bereits vor einigen Jahrzehnen geschrieben wurde. Danke für das Review!
Liebe Grüße, Rena
http://www.dressedwithsoul.com